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Marcellus

Bischof Marcellus und der Drache, Abtei Rajhrad

Der heilige Marcellus von Paris († 1. November 436 in Paris) war der neunte Bischof der Stadt und soll einen Drachen bezwungen haben.

Sage[]

Zu Marcellus Lebzeiten litt die Bevölkerung von Paris unter einem Drachen, der bei der Beerdigung einer Ehebrecherin erschien und deren Leiche verschlang. Marcellus versammelte das Volk von Paris um sich und trat dem Drachen gegenüber, schlug ihm dreimal mit seinem Krummstab auf den Kopf und umschlang den Hals des Drachen mit seiner Stola. Der Drache wurde sofort zahm und konnte vom Bischof aus der Stadt in die Wüste oder ins Meer verbannt werden, woraufhin er nie wieder kam[1].

Hintergrund[]

Marcellus Notre-Dame

Marcellus am Südportal der Hauptfassade der Notre-Dame, 12. Jahrhundert

P1240887 Paris IV Notre-Dame porte rouge tympan rwk

Nordportal der Kathedrale Notre-Dame, 1270. Marcellus ist auf der rechten Seite zu sehen.

Die Sage wurde erstmals im 6. Jahrhundert durch Venantius Fortunatus in der Vita des Heiligen Marcellus niedergeschrieben, wo sie das letzte und eindrucksvollste Wunder ist, das der Heilige vollbringt. Venantius vergleicht die Episode mit der Drachentöter-Episode des Heiligen Silvester in Rom[2]. Die Kreatur wird in Venantius Text wahlweise als serpens, coluber oder draco (jeweils lat. für Schlange) bzw. bestia oder belua (lat. für Tier, Bestie) bezeichnet[1]. Eine ähnliche Drachenzähmung schreibt Venantius auch Hilarius von Poitiers zu[3].

Die Schlange, die den Leichnam einer Ehebrecherin bewohnt, ist eine Ausprägung der Schlange als Symbol für die Lust, eine Interpretation, die im Mittelalter nicht ungewöhnlich war, jedoch selten in Kombination mit dem Drachentöter-Motiv vorkommt[2].

Der Historiker Jacques Le Goff sah in der Sage, die bei Venantius Fortunatus trotz ihres religiösen Charakters eher im Stil eines zivilisationsbringenden anstatt eines religiösen Helden geschrieben war, eine Mythologisierung der Besiedelung und Christianisierung von Saint-Marcel. Zu diesem Zweck musste die feindselige Natur in Gestalt des Drachen zunächst gezähmt werden, bevor das Gebiet besiedelt werden konnte[2].

Nach Venantius Text aus dem 6. Jahrhundert gibt es bis zum 12. Jahrhundert kaum Hinweise auf die Sage. Aus dieser Zeit stammt eine Statue von Marcellus und dem Drachen am Portail Sainte-Anne der Kathedrale Notre-Dame de Paris, in der sich auch die Reliquien des Heiligen befinden. Während der Bildhauer offensichtlich Venantius Text als Vorlage der Skulptur verwendet hat, was sich auch darin wiederspiegelt, dass der Drache einem Sarkophag entsteigt, wird hier dargestellt, wie der Heilige den Drachen mit seinem Bischofsstab durchbohrt. Eine weitere Abbildung der Drachentötung befindet sich am Nordportal der Kathedrale aus der Zeit um 1270[2].

Ab dem 12. oder 13. Jahrhundert bis in die 1730er Jahre scheinen der Heilige und der Drache auch Teil einer Bitttags-Prozession in der Nähe der Kathedrale gewesen zu sein, während der ein geflochtener Korb in Form eines Drachen durch Paris getragen wurde, in den die Kinder Kuchen und Obst für die Kleriker und die Kranken des Hôtel Dieu warfen[4][2][5]. Die Darbringung von Kuchen könnte auf Riten der römischen Antike zurückgehen, bei denen Jungfrauen der Göttin Juni von Lanuvium Opfer darbrachten, indem sie Kuchen zu den der Göttin geweihten Schlangen in einer unterirdischen Höhle brachten[2][6][2].

Am Abend der Französischen Revolution soll ein Abbild des Drachen in der Kirche im Pariser Stadtteil Faubourg Saint-Marcel aufgehängt worden sein[2].

Quellen[]

  1. 1,0 1,1 Venantius Fortunatus (6. Jahrhundert), Vita Sancti Marcelli, Kap. X via Jacques Le Goff (1980), Time, work & culture in the Middle Ages, University of Chicago Press, ISBN 0-226-47080-6, S. 187-188
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 Jacques Le Goff (1980), Time, work & culture in the Middle Ages, University of Chicago Press, ISBN 0-226-47080-6, S. 159-178
  3. Simon Coates (2000), Venantius Fortunatus and the Image of Episcopal Authority in Late Antique and Early Merovingian Gaul, The English Historical Review, Vol. 115, No. 464, S. 1109-1137, https://www.jstor.org/stable/578926
  4. Alfred de Nore (1846), Coutumes, mythes, et traditions des Provinces de France, FB&C LTD (2018), ISBN 978-0666686725
  5. Nautilus - Abenteuer & Phantastik, Ausgabe Januar 2007, ISBN 0946-3534
  6. Jakob Achilles Mähly (1867), Die Schlange im Mythus und Cultus der classischen Völker, C. Schultze, S. 13
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