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Die Amphisbaena (auch Amphisbaene, griech. für "der Vor- und Rückwärts gehen kann") ist eine erstmals von den alten Griechen beschriebene Schlange mit jeweils einem Kopf am Ende ihres Körpers. Sie ist eine der tödlichen Schlangen, die aus dem Blut der Medusa entstanden.

Beschreibung[]

Amphisbaena Europaea

Amphisbeana Europaea nach Johannes Faber

Mit zwei Köpfen kann das Tier, das in der Wüste Afrikas leben soll, in beide Richtungen blicken. Schläft der eine Kopf, schaut der andere wachsam mit seinen glühenden (laut Topsell jedoch fast schwarzen) Augen um sich. Mit dem Kopf, der an der Stelle des Schwanzes sitzt, kann diese Kreatur ihre Beute schnell angreifen[1]. Edward Topsell verortet das Tier auf der griechischen Insel Limnos[2], während Johannes Faber eine europäische Art beschreibt. Auch in kolonialzeitlichen Beschreibungen Amerikas kommen zweiköpfige Schlangen vor, z.B. die kolumbianische tatacoa oder eine Art aus Süd-Kalifornien[3].

Die Idee der Darstellung von Schlangenköpfen am Schwanz einer Kreatur könnte auf einem Vers aus der Offenbarung des Johannes basieren. In Offenbarung 9:19 heißt es nämlich: "Denn die Kraft der Rosse war in ihrem Maul und in ihren Schwänzen; denn ihre Schwänze waren den Schlangen gleich und hatten Häupter, und mit denen taten sie Schaden."[4]

Bewegen sich beide Köpfe aufeinander zu, bildet der Körper einen Kreis. Beißt sie sich mit einem Kopf am Hals des anderen fest, kann sie wie ein Reifen rollen. Eine ähnliche Fähigkeit ist auch das Markenzeichen eines anderen Fabelwesens, der amerikanischen Hoop snake (vermutlich basierend auf europäischen Amphisbaenen-Sagen[3]), und wird auch der Tsuchinoko und dem Lindorm nachgesagt. Auch in einer deutschen Sage, der Lindwurmsage von Neubrandenburg, kommt diese Fortbewegungsweise vor. Unter realen Schlangen ist sie nur von der Zwergschlangen-Art Pseudorabdion longiceps bekannt, bei der sie erst 2023 wissenschaftliche beschrieben wurde[5].

Das tödliche, sehr schmerzhafte Gift der Amphisbaene tötet in Sekundenschnelle. Plinius der Ältere glaubte, dass sie zwei Köpfe benötige, um all ihr Gift verspritzen zu können[1]. Laut Plinius dem Älteren ist jedoch Koriander ein wirksames Gegengift[2].

Amphisbene Bestiarium

Amphisbaene aus dem Harley Bestiarium

Im Mittelalter wurden der Schlange Vogelflügel, Krallenfüße, Hörner und Ohren dazugedichtet. Es gibt sogar Varianten, in denen eine Cockatrice einen zweiten Kopf am Schwanz trägt, was von John Vinycomb als "Amphysian Cockatrice" (dt. amphisbäne Cockatrice) bezeichnet wird. Das Adjektiv amphisbän (en. amphisien oder amphysian) wird in der Heraldik für Wesen verwendet, die am Schwanz einen zweiten Kopf haben[6]. Die altenglische Reisebeschreibung Wonders of the East (ca. 1000) gibt an, dass in einem Land namens Hascellentia (möglicherweise Seleukeia), das man auf dem Weg nach Babylon durchquert, zweiköpfige Schlangen leben, deren Augen hell leuchten. Obwohl diese Beschreibung an Amphisbaenen erinnert, werden sie vom Illustrator des Cotton MS Tiberius B V/1 Manuskripts mit zwei Köpfen am gleichen Ende dargestellt[7].

Basilisk oder amphysian cockatrice

John Vinycomb, Amphysian Cockatrice

Im Mittelalter gab es viele Anwendungsmöglichkeiten für Amphisbeanen in der Volksmedizin. So hatte zum Beispiel eine schwangere Frau, die eine Amphisbeane um den Hals trug, eine sichere Geburt[8]. Laut Galen muss diese Schlange jedoch lebendig sein, da die Ausdünstungen toter Amphisbaenen das ungeborene Kind schädigen[2].

Der Gott Dionysus soll einst eine solche Schlange mit einem Weinstock getötet haben. Ein Stock oder Knüppel, der mit Amphisbaenenhaut bespannt ist, soll außerdem giftige Tiere fernhalten, ähnlich dem Horn eines Einhorns[2].

Angeblich ernähren sich Amphisbeanen von Ameisen[9]. Dass sich daraus der Titel "Mutter der Ameisen" ableitet, erklärt sich damit, dass die Ameisen nachdem sie gefressen werden wiedergeboren werden können[10].

Laut Solinus Polihistor legt der Kopf, der den Schwanz ersetzt, die Eier durch sein Maul. Außerdem soll die Amphisbaene von allen Schlangen diejenige sein, die zuerst aus ihrem Winterschlaf erwacht.

Türkisschlange[]

Aztek Serpent

Die Türkisschlange

Die Türkisschlange ist eine aztekische Statue einer zweiköpfigen Schlange, die mit Türkisen verziert ist. Die Statue wurde vermutlich von Hernán Cortéz nach Europa gebracht und stammt wahrscheinlich von dem aztekischem Herrscher Moctezuma II.

Die Türkisschlange stellt vermutlich die mythologische Schlange Xiuhcoatl dar.

Reale Amphisbaenen[]

Doppelschleiche

eine Rote Doppelschleiche (Amphisbaena alba), die größte aller Doppelschleichen

Einige reale Tiere haben Merkmale, die man mit Amphisbaenen assoziiert. Diese Tiere könnten als Vorbilder des Mythos gedient haben.

Doppelschleichen[]

Amphisbaenia ist der wissenschaftliche Gattungsname der Doppelschleichen, die sich vorwärts genauso schnell bewegen wie rückwärts. Ihr Name basiert auf den mythologischen Amphisbaenen, jedoch könnten sie selbst auch der Ursprung des Mythos sein.

Zweiköpfige Schlangen[]

Amphisbaene real

Die Schlange aus Greenwood County

Manchmal werden zweiköpfige Schlangen gefunden. Hierbei handelt es sich um siamesische Zwillinge, die meistens zwei Köpfe an einem Ende haben.

Im amerikanischen Greenwood County wurde jedoch eine Schlange der Art Haldea striatula gefunden, die an jedem Ende einen Kopf hat[11]. Dieses Phänomen nennt man Amphicephalie, es ist extrem selten zu finden. Dennoch wäre es möglich, dass die Sichtungen von Amphisbaenen auf solche Tiere zurückgehen[12].

Pseudo-Amphicephalie[]

Aldrov tatzelwurm

Aldrovandis Tatzelwurm besitzt einen Hinterleib, der dem Kopf ähnlich sieht. Auch viele reale Echsen und Schlangen besitzen dieses Merkmal

Es gibt diverse Schlangen- und Echsenarten, deren Schwanzspitze dem Kopf sehr ähnlich sieht. Auf diese Art und Weise werden Raubtiere verwirrt, die nicht wissen, in welche Richtung die Beute fliehen wird. Auch sie könnten für den Mythos der Amphisbaene verantwortlich sein.

Beispiele für solche Arten sind Cylindrophis ruffus, Eryx johnii und Trachydosaurus rugosus.

In der Populärkultur[]

  • In John Miltons Epos Paradise Lost (dt. Das verlorene Paradies) werden manche der gefallenen Engel nach Satans Fall in Amphisbaenen verwandelt[13].
  • Im Star Wars Expanded Universe gibt es so genannte Amphistäbe, schlangenartige Kreaturen, die als lebende Waffen verwendet werden. Sie sind vermutlich nach der Amphisbaene oder der Amphithere benannt.
  • Die Amphicephali aus All Tomorrows sind Außerirdische, die an gigantische, zweiköpfige Schlangen erinnern. Einer der Köpfe enthält einen einziehbaren Körper, über den sie mit ihrer Umwelt interagieren können.

Quellen[]

  1. 1,0 1,1 Joseph Nigg (2007), Drachen & andere Sagengestalten, Bassermann, ISBN 978-3-8094-2079-8
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 BHL: The history of four-footed beasts and serpents
  3. 3,0 3,1 J. R. Masterson (1946), Traveller's tales of colonial natural history (Concluded), Journal of American Folklore, Vol. 59, No. 232, S. 180, https://doi.org/10.2307/536472, https://www.jstor.org/stable/536472
  4. Arthur H. Collins (1913), Symbolism of Animals and Birds Represented in English Church Architecture, McBride, Nast & co., S. 162
  5. Evan Seng Huat Quah, Larry Lee Grismer, M. S. Shahrul Anuar (2023), Observations and description of a rare escape mechanism in a snake: Cartwheeling in Pseudorabdion longiceps (Cantor, 1847) (Squamata, Colubridea), Biotropica, https://doi.org/10.1111/btp.13213
  6. Heraldik-Wiki: Amphisbaena (Wappentier)
  7. Ann Elizabeth Knock (1981), Wonders of the East: a synoptic edition of the Letter of Pharasmanes and the Old English and Old Picard translations, Doctoral Thesis, King's College London
  8. Circle of the Dragon: Amphisbaena
  9. Medieval Bestiary: Amphisbaena
  10. Eason, Cassandra, Fabulous creatures, mythical monsters, and animal power symbols: a handbook, 2008
  11. News-Artikel über die amphicephale Schlange
  12. Blogeintrag von Karl Shuker über zweiköpfige Schlangen
  13. John Milton (1667), Das verlorene Paradies, Reclam (2008), ISBN 978-3-15-010670-9
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